Bei herrlichem Spätsommerwetter starten Michi, Sandor, Peter und ich kurz vor 0900 am Bahnhof Altdorf. Zunächst folgen wir der Hauptstrasse Richtung Süden, schon bald haben wir die Reuss erreicht. Mit Blick auf einen der schönsten Berge im Urnerland - den Bristen - wandern wir locker der Reuss entlang. Doch dann beginnt der Weg unerwartet zu steigen, die Reuss liegt plötzlich einige Meter tiefer, schliesslich stehen wir vor einem Tunnel, der durch einen imposanten Felsvorsprung führt, dannach geht es wieder der Reuss entlang über saftig grüne Wiesen und Weiden.
Wir passieren die eingezäunte - zur Zeit praktisch leere - LKW-Dosier-Stelle, auf der spielend einige  Fussballfelder Platz hätten.
Bei Erstfeld ist vom Wanderweg aus gut ersichtlich, dass hier die Flachbahn endet und die Gotthard-Rampe (Maximal-Steigung 2,6%) beginnt.
Eine Drehscheibe, deren Revision schon Jahrzehnte zurückliegt, lädt zum Studium ein - wir finden allerdings nicht heraus, welchen Zweck die mit Steinen gefüllten Körbe in der Mitte der Bühne zu erfüllen haben. Auch via Google wird dieses Geheimnis nicht gelüftet, dafür finde ich andere interessante Links zum Thema Drehscheibe:

Bei Silenen stossen wir auf ein weiteres Eisennbahnrelikt - die Kriegsbrücke Modell 1936. Kraftwerkausbau und Neat-Zwischenangriff in Amsteg produzieren sehr viel Ausbruchmaterial. Der Wegtransport geschieht mit der Bahn über ein provisorisches Werkgleis. Dafür wurden zwei Brücken über die Reuss gebaut, deren Eisenbalken aus Beständen der Armee stammen. Sie waren für den Bau von Notbrücken beschafft und teilweise in Gurtnellen eingelagert worden. Die vielen Verschraubungen machen das Modell 1936 unkompliziert, dafür sehr zeitaufwendig in der Montage.
Der Verkehrslärm ist unüberhörbar, was die Freude an den interessanten Ausblicken zeitweise etwas trübt.
Das trutzige Kraftwerk in Amsteg(527m) entstand im Zusammenhang mit der Elektrifizierung der Gotthardbahn (Kap 12 auf www.gotthardbahn.ch). Das Wasser für dieses Kraftwerk stammt aus der Reuss (Fassung beim Pfaffensprung (807m) und aus dem Maderanertal (Fassung bei Tal 820m) (Details)
Alte Kantonsstrasse, Autobahn und Eisenbahnlinie befinden sich auf lange Strecken am Gegenhang - faszinierend wie sich diese Stränge durchs enge Tal empor schlängeln. Doch auch auf unserer Talseite gibt es interessantes zu entdecken: Lawinenschutzhütten, Tunnel mit Lichtschalter, alte Häuser, Kapellen, riesige Steinschlag-Auffangzäune, Hängebrücken beim Fellitobel und Spitzkehren der Uralt-Pass-Strasse .
Gegen 14:00 sind wir in Gurtnellen-Wiler, wo wir auf der Terrasse des Hotels Gotthard  feine Ravioli geniessen.
Optimal gestärkt machen wir uns wieder auf den Weg, vorbei an der ehemaligen Karbid-Fabrik und immer wieder entlang der Strasse und dem Bahntrasse geht's aufwärts und Richtung Süden.
Beim Volg in Wassen schalten wir einen kurzen Boxenstopp ein.  
Nach einer weiteren Pause in Göschenen besichtigen wir noch den Visierstollen, welcher beim Bau des Gotthard-Eisenbahntunnels eine wichtige Rolle spielte (Details)
Die Enge der Schöllenen ist in der Abendstimmung besonders eindrücklich.
In Andermatt zeugen die zahlreichen Kranen von den Aktivitäten von Shamir Sawires.
In der späten Dämmerung erreichen wir wie geplant gegen 20:00 Hospenthal, wo wir im Restaurant Rössli einkehren. Hirschschnitzel aus eigener Jagd, Spätzli und Rotkraut schmecken vorzüglich.
Als wir uns wieder auf den Weg machen ist es zap und duster. Der Vollmond versteckt sich hinter dunklen Wolken. Wetterleuchten schafft eine etwas bedrohliche Stimmung. Da wir aber keine Donnergeräusche wahrnehmen, wandern wir unverdrossen Richtung Pass. Der Wanderweg ist teilweise recht sumpfig. Auf etwa 1600m beginnt es zu regnen und wir aktivieren unsere Regenausrüstung.
Beim Mätteli kostet es schon etwas Überwindung, die hell beleuchtete Beiz trotz garstigem Wetter schnöd rechts liegen zu lassen.
Noch vor Mitternacht passieren wir die Kantonsgrenze zwischen Uri und Tessin.
Der Abschied von der Alpennordseite fällt sehr feucht aus, es schüttet wie aus Kübeln.
Als wir um etwa 0100 beim Hospiz ankommen, hat der Regen bereits nachgelassen. In einer windgeschützten Ecke schalten wir eine kurze Rast ein, bevor es auf dem scheinbar im Bachbett verlegten Wanderweg zur Tremola hinuntergeht. Streckenweise verläuft der Wanderweg aber auch der alten Passstrasse, auf einem solchen Stück verpassen wir den Abzweiger, obwohl nun der Mond die Landschaft ziemlich ausleuchtet.
Kurz nach 0400 finden wir uns auf einer Bank auf Perron 1 am Bhf Airolo. Güterzüge rasseln Nord- und Südwärts während wir uns aus dem Rucksack restaurieren. Die Donna im Stellwerk öffnet uns die Tür zum Kaffee-Automaten, was die Lebensgeister wieder etwas aktiver werden lässt.
Sandor hat aufgrund neuer Sohlen einige Blasen eingefangen und entscheidet, die Tour hier abzubrechen. Wir verabschieden uns, mobilisieren die noch spährlich vorhandenen mentalen Kräfte und starten zum Finale. Entsprechend unser Verfassung wählen wir nicht die Strada alta sondern die Strada bassa.
Der fehlende Schlaf macht sich auf dem Weg nach Piotta brutal bemerkbar - es gibt auf diesem Stück einige Passagen, welche ich sicherlich nicht bei vollem Bewusstsein zurückgelegt haben muss ...
Die Morgendämmerung, der Sonnenaufgang um 07:00 und sicher auch das nahe Ziel lassen uns die Müdigkeit etwas vergessen.
Nach 24h treffen wir in Rodi ein. Die einen sehen sich bereits im Postauto Richtung Faido, es gibt aber einen in der Gruppe, der will diese Etappe erst in Faido abschliessen.
Bei Kaffee im Ristorante Baldi  wird entschieden und schon wandern wir durch den Dazio Grande, der Schöllenen der Südseite. In dieser engen Schlucht richteten die alten Urner eine grosse Zolleintreibungsstelle ein (dazio=Zoll).
Nach einem letzten Auf- und Abstieg treffen wir nach 26h in Faido ein.
Rund um den Bahnhof gibt es weder Läden noch Restaurants, so warten wir geduldig auf den nächsten Zug, der uns ohne Umsteigen bis Zürich bringt.

Sandor
Peter
Michi
Dubi

zu den Fotos

zur Karte mit Route

Profil
Thumbnail image

Statistik
Distanz: 73 km
rauf: 2040 Hm
runter: 1740 Hm
Zeit: 26h